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On the record

Warum HR und Führungskräfte sich mit der Umsetzung von Hybrid-Work-Regelungen schwer tun

Veröffentlicht:

August 28, 2024

Aktualisiert:

3. September 2024

Im Herzen des Silicon Valley, wo die Innovation schneller schlägt als irgendwo sonst auf der Welt, stehen die glänzenden Büros von Unternehmen wie Meta, Apple und Salesforce wie Denkmäler für eine Welt vor der Pandemie, die nicht mehr (in Gänze) existiert.

Einst waren diese Gebäude belebt mit dem ständigen Buzz der persönlichen Zusammenarbeit. Jetzt sind sie halb leer, da hybride Arbeitsmodelle in den Vordergrund rücken. Viele sehen in diesem Wandel die Zukunft der Arbeit. Doch trotz der vielen Vorteile gibt es eine überraschende Zurückhaltung bei Manager:innen und Personalverantwortlichen, diese hybriden Arbeitsformen durchzusetzen. 

Die Frage ist: Warum ist das so?

Um diese Zurückhaltung besser nachvollziehen zu können, ist es wichtig, die Komplexität hybrider Arbeitsmodelle, ihre Herausforderungen und die unterschiedlichen Herangehensweisen in den USA und europäischen Ländern zu verstehen.

Der unruhige Waffenstillstand: Führungskräfte vs. Arbeitnehmerwünsche

 

Rob Sadow, der CEO und Mitbegründer von Flex Index, sagte kürzlich in einem Webinar von Epoch: 

"Hybride Arbeit ist ein Waffenstillstand zwischen der Führungsebene und den normalen Mitarbeitenden.

Dieser "Waffenstillstand" ist eine Folge der (vielleicht unvermeidlichen) Spaltung der heutigen Arbeitswelt. Auf der einen Seite haben wir die Führungskräfte, die traditionellen Managementpraktiken folgen und die physische Präsenz im Büro schätzen, das als Zentrum der Kreativität, der Zusammenarbeit und der Unternehmenskultur gilt.

Auf der anderen Seite haben wir die Beschäftigten, die die Freiheit der mobilen Arbeit kennengelernt haben und sie nicht mehr aufgeben wollen. Das Ergebnis? Hybrides Arbeiten, ein bekanntes Modell, das versucht, die Bedürfnisse beider Seiten zu befriedigen, aber stattdessen eher eine Spannung auf beiden Seiten erzeugt.

Vor allem in solchen Fällen, in denen Unternehmen beschlossen haben, für ihre Beschäftigten spezifische Hybrid-Work-Regelungen einzuführen. Statistiken von Flex zeigen, dass ein durchschnittliches Unternehmen in den USA von seinen Beschäftigten verlangt, an 2,63 Tagen pro Woche im Büro zu sein.1

In größeren Unternehmen wie Salesforce und Meta ist diese Zahl sogar noch höher, da sie in der Regel strengere Regelungen durchsetzen, die Büropräsenz an drei Tagen pro Woche fordern.

Trotz dieser Regelungen haben die Unternehmen Schwierigkeiten, ihre Beschäftigten an Bord zu bekommen. Wenn sie versuchen, ihre Regeln durchzusetzen, sind die Herausforderungen häufig groß. 

Wie Jackie Tsai, Senior Manager of Workplace Experience bei Chime, betonte, möchten viele Unternehmen keine strengen Konsequenzen für die Nichteinhaltung solcher Richtlinien verhängen - auch wenn sie diese bereits eingeführt haben. Stattdessen ziehen sie es vor, ein Büroumfeld zu schaffen, das die Beschäftigten zu mehr freiwilliger Präsenz ermutigt.

Die Zurückhaltung der Unternehmen basiert auch auf der Angst, Mitarbeitende auf einem derzeit hart umkämpften Arbeitsmarkt zu vergraulen. 

Unternehmen wie Chime, die großzügige Mitarbeitervergünstigungen (wie Pendlerpauschalen und Unterstützung bei der Kinderbetreuung) anbieten, streben danach, Büropräsenz eher attraktiver statt obligatorisch zu machen.

Sie hoffen, dass die Mitarbeitenden durch die richtigen Anreize von sich aus ins Büro kommen und produktive Arbeitszeit in einer Arbeitsumgebung verbringen, die ihren Erwartungen entspricht. Dieser Ansatz erweist sich jedoch nicht immer als erfolgreich, und Anwesenheitsquoten erreichen nicht die gesetzten Ziele.

Der europäische Ansatz: ein Kontrast der Kulturen

Auf der anderen Seite des Atlantiks ist die Herangehensweise an hybrides Arbeiten eine ganz andere. 

In der Europäischen Union, wo die Arbeitsgesetze im Allgemeinen arbeitnehmerfreundlicher sind und die Gewerkschaften mehr Einfluss haben, wurde die Hybridarbeit in größerem Umfang und mit weniger Reibungsverlusten umgesetzt.

Länder wie Deutschland und die Niederlande haben sich beispielsweise für flexible Arbeitsregelungen entschieden. Die lokalen rechtlichen Rahmenbedingungen unterstützen Remote Work als Mitarbeiterrecht und nicht als Privileg. In den Niederlanden haben Beschäftigte beispielsweise das Recht, Fernarbeit zu beantragen, und Arbeitgeber müssen einen triftigen Grund angeben, wenn sie einen solchen Antrag ablehnen möchten.

Diese Unterstützung durch den Gesetzgeber hat zu einem Kulturwandel geführt, bei dem hybrides Arbeiten eher als Norm statt als Ausnahme angesehen wird. Europäische Unternehmen haben in der Regel strukturiertere Hybrid-Work-Regelungen, klare Erwartungen und bessere Mechanismen zur Einhaltung

Außerdem ist der Fokus auf die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben seit langem ein Grundpfeiler europäischer Beschäftigungspraktiken. Das Hybridmodell fügt sich elegant in diese kulturellen Werte ein und ermöglicht es den Beschäftigten, ihr Berufs- und Privatleben gesünder zu vereinbaren. Infolgedessen gibt es sowohl bei der Unternehmensführung als auch bei den Beschäftigten weniger Widerstand, wenn es darum geht, Hybrid-Work-Regelungen einzuführen und einzuhalten. 

Die Herausforderungen bei der Einhaltung von Hybrid-Work-Regelungen

Trotz ihrer unterschiedlichen Herangehensweisen stehen US-amerikanische und europäische Unternehmen vor ähnlichen Herausforderungen, wenn sie hybride Arbeitsregelungen durchsetzen wollen. 

Eine der größten Herausforderungen ist dabei die Schwierigkeit, die Einhaltung der Regelungen durch die Beschäftigten zu verfolgen.  

Rob Sadow zufolge haben die Beschäftigten kreative Wege gefunden, um gestellte Anforderungen an die Büropräsenz zu umgehen. Praktiken wie Coffee Badging, bei dem die Beschäftigten kurz im Büro auftauchen, um ihre Anwesenheit zu markieren, bevor sie es wieder verlassen, werden immer häufiger. Das macht nicht nur die Durchsetzung von Hybrid-Regelungen problematisch, sondern wirft auch Fragen über die Wirksamkeit des Hybridmodells selbst auf.

Führungskräfte und Manager:innen sind diejenigen, die mit dieser Situation am meisten zu kämpfen haben und sich in einer zunehmend schwierigen Lage befinden.

Einerseits wird von ihnen erwartet, dass sie die Unternehmensrichtlinien einhalten und dafür sorgen, dass die Mitarbeitenden wie vorgeschrieben ins Büro kommen. Andererseits müssen sie die Arbeitsmoral und die Produktivität ihrer Teams aufrechterhalten, und fixe Regelungen können sich negativ auf sowohl die Moral als auch die Produktivität auswirken.

Außerdem stellt sich die Frage, wie Führungskräfte am besten ein gutes Beispiel setzen. 

Wie Sadow erklärte, kann die Tatsache, dass Führungskräfte häufiger als eigentlich vorgeschrieben im Büro sind, ein Gefühl des Unbehagens bei den Mitarbeitenden hervorrufen und den Eindruck erwecken, dass die aktuellen Mindestanforderungen unzureichend sind und vielleicht bald strengere Regeln kommen werden. Das kann das Vertrauen zwischen den Beschäftigten und den Führungskräften erschüttern, was die Umsetzung von Hybrid-Work-Regelungen noch weiter erschwert.

Die Zukunft der Hybridarbeit: eine Frage von Design und Kultur

Was können wir also tun, um diese Problem zu lösen und Konflikte bestmöglich zu vermeiden?

Während Unternehmen weiterhin damit beschäftigt sind, die Komplexität der Hybridarbeit zu meistern, wird eines klar: Der Erfolg dieses Modells kann nicht allein durch die Durchsetzung von Richtlinien erreicht werden. Stattdessen müssen die Arbeitsplatzgestaltung und -kultur völlig neu gedacht werden.

In einer treffenden Analogie beschreibt Sadow das Büro als Party. Wenn das Büro ein lebendiger, ansprechender Ort ist, an dem Mitarbeitende ihre Kolleg:innen treffen und an interessanten Projekten arbeiten, dann ist die Durchsetzung weniger problematisch. Wenn das Büro hingegen immer noch ein altmodischer, dunkler, lebloser Ort ist, an dem die Kreativität stirbt (wie in den alten Sitcoms aus den 90er Jahren), dann wird es auch durch die Einführung von Unternehmensrichtlinien nicht attraktiver.

Unternehmen, die in der Ära des hybriden Arbeitens erfolgreich sein wollen, müssen Büroumgebungen schaffen, die speziell darauf ausgelegt sind, Tätigkeiten, die nicht remote ausgeführt werden können, zu unterstützen.  

Darin liegt der Schlüssel. In der Schaffung eines Büros, das einen neuen Zweck und ein neues Gesicht hat.

Die neue Art des Büros sollte Bereiche umfassen, die Möglichkeiten für Mentoring schaffen und die Zusammenarbeit und die soziale Interaktion fördern. Außerdem sollte es Räume geben, in denen Mitarbeitende sich treffen und kreativ sein können.

Gleichzeitig müssen die Unternehmensrichtlinien und das Handeln der Führungskräfte präsize aufeinander abgestimmt sein. Die Führungskräfte müssen das Verhalten, das sie von ihren Beschäftigten erwarten, vorleben und durch ihre Büropräsenz demonstrieren, dass sie das Hybridmodell begrüßen.

Keine Widersprüchlichkeiten, sondern Offenheit und eine ehrliche Herangehensweise.

In den kommenden Jahren werden Daten für das Arbeitsplatzmanagement immer wichtiger werden. Für Unternehmen bedeutet das, dass sie in Zukunft ausgefeiltere Methoden zur Messung des Erfolgs ihrer hybriden Arbeitsmodelle brauchen. Dazu gehört zum Beispiel das Tracken von Kennzahlen wie Mitarbeiterengagement, Produktivität und Mitarbeiterbindung sowie die Auswertung der Auswirkungen hybrider Arbeitsformen auf die Gesamtleistung des Unternehmens. Nur indem sie  Daten aus verschiedenen Quellen nutzen, können Unternehmen umfassend verstehen, wie sich hybride Arbeitsformen auf ihre Perfomance und Organisation auswirken.

Die Arbeitswelt ist in Bewegung und entwickelt sich weiter, und das gilt auch für das hybride Arbeitsmodell.

In der Zukunft werden neue Herausforderungen und Chancen entstehen, und Unternehmen müssen schnell handeln, um nicht von ihren Konkurrenten abgehängt zu werden. Es ist klar, dass das forcierte Durchsetzen von Regeln nicht die Antwort ist. Der Schlüssel zum Erfolg liegt vielmehr darin, einen Arbeitsplatz zu schaffen, an dem die Mitarbeitenden gerne arbeiten, und der Verbundenheit, Zusammenarbeit und das Gefühl eines gemeinsamen Purpose fördert. Durch die Gestaltung einer Büroumgebung, die einen echten Mehrwert für die Beschäftigten schafft, können Unternehmen über die bloße Durchsetzung von Vorschriften hinausgehen und ein Arbeitsmodell entwickeln, von dem alle profitieren.

 

1. https://www.flexindex.com/stats 

Warum HR und Führungskräfte sich mit der Umsetzung von Hybrid-Work-Regelungen schwer tun

Graziella Moschella

Graziella ist eine erfahrene Content-Marketing-Expertin mit einer Leidenschaft für Storytelling und neue Medien. Sie schreibt über DEI, Frauen im Tech-Bereich und flexible Arbeitsmodelle. Wenn sie nicht gerade über hybride Arbeit schreibt, liest sie oder strickt etwas Buntes (das niemand jemals tragen wird).

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